Sorry, not yet translated.
VIDEOARBEITEN
Die Videoarbeiten sind mit dem zeichnerischen Schaffen verwandt. Die Handkamera ersetzt gewissermassen den Zeichnungsstift und führt in konzentrierter Beobachtung an Unscheinbares heran. Das Zufällige erhält Raum und bestimmt die Rhythmisierung der Bildsequenzen mit. Im Gegensatz zu den Zeichnungen, in denen das Wort sich in der Schreibgeste aufzulösen schien, findet es in den Videoarbeiten mit der gesprochenen Sprache einen neuen Ort. Jedoch nicht in einem narrativen Sinne, sondern als Stimme des vagen Deutens und Erinnerns. Bild und Sprache bewegen sich aufeinander zu, werden lose miteinander verknüpft. Mit den knapp gewählten Bildausschnitten löst sich die erzählerische Vergangenheit zugunsten einer konzentrierten Aufmerksamkeit, die ein Innewerden ermöglicht. Der verlangsamte Blick richtet sich auf Details, Strukturen und Farbabstufungen, die das an und für sich distanzierende Medium in eine sinnliche Erfahrung überführt. Sowohl bei den Zeichnungen als auch bei den Videoarbeiten ist es ein körperliches Auge, das sich zwischen Innen- und Aussenraum verortet.
«BLAUTÖNE» (2011) berücksichtigt mit der statischen Kameraeinstellung das zufällige Geschehen. Vom Fensterkreuz gerahmt zeichnen Regentropfen ihre unregelmässigen Bahnen. Ein von Windböen gepeitschtes Pendel schlägt gegen das Glas. Seismographisch überträgt es das stürmische Wettergeschehen und spannt den Bogen im Steigern und Ausklingen von Stimmungen. Wortfolgen wie Rauch und Regen betonen das Flüchtige, Wandelbare, unterbrechen formierende Erzählungen und gehen in Klangfarben über. Wolken und Regen sind Metaphern für den ständigen Wandel, dem auch das gesprochene Wort unterliegt, denn es versucht festzuhalten, was im Augenblick des Sprechens bereits nicht mehr gilt. Bild und Bedeutung fliessen und gleichen darin der Bahn der Regentropfen. Sie lassen sich treiben, finden zusammen, drängen von Kräften geschoben in verschiedene Richtungen, um sich schliesslich in der Überblendung mit dem Horizont wie Sedimente abzulagern. Scheibe, Schirm, Schürze, Haut bilden eine schützende als auch durchlässige Membran, in der Distanzen gleichzeitig nah und fern erscheinen. Nah, wie ein übergestreiftes Kleidungsstück, fern, wie der Ausblick auf die graue, bald in Blautönen sich lichtende Landschaft. Der Klang wie die Linie lassen das Wort fast beiläufig fallen, um es im Nachlauschen aufzugreifen, zu formen und neu zu bestimmen.
In «WEISSTÖNE» (2010) tastet das Kameraauge im ruhigen horizontalen Schwenk den Wänden eines Innenraumes entlang: vergilbte Tapeten mit kleinen Löchern und Flickstellen lenken die Aufmerksamkeit, räumliche Schwellen von Tür- und Fensterrahmen führen in unterschiedliche Tiefenwahrnehmungen. Die eingeschränkte Nahsicht lässt nur fragmentarisch Einblicke zu, gibt nie den ganzen Raum preis. Die Worte der Erzählstimme sind keine festen Zuschreibungen, begleiten das Bild zuweilen wie Schatten das Licht. Bedeutungen verändern und überlagern sich mit den Bruch- und Nahtstellen verschiedener Rahmungen. Im Wechselspiel zwischen realer und semiotischer Schärfe und Unschärfe verbinden sich innere mit äusseren Bildern, um als Erinnerung, Einfall, Empfindung und Sinneseindruck Form anzunehmen und den Raum zu bewohnen.
Die Körperlichkeit ist in der Videoarbeit «GEHEN» (2007) allgegenwärtig. Angleichend an die Gehbewegung zeichnet die Kamera knapp über dem Boden oder am Arm schwingend die Landschaft aus der Körperperspektive auf. Vertikale und Horizontale verlieren dadurch ihre stabile bildliche Rahmung und werden zu Bewegungsabläufen, die das gewohnte Sehen ins Wanken bringen: Im gleichbleibenden Rhythmus der Schritte lässt das Kamerabild den Erdboden unter den Füssen zurückgleiten, beweglich schiebt sich der Horizont in verlangsamten Bildsequenzen auf und ab. Wechselnde Koordinaten beeinflussen das Raumempfinden, das im gleichmässigen Rhythmus der Schritte zwischen Schärfe und Unschärfe, Fern- und Nahsicht den Bildraum erschliesst. Wie die Linie in den Zeichnungen schreibt sich auch das Gehen mit einer kontinuierlichen Bewegungsabfolge in den Landschaftsraum ein, um objektive und körperlich subjektive Sichtweisen miteinander zu verschränken.
Manuela Casagrande